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29 November 2024

BERECHENBARKEIT: SCHWÄCHE ODER TUGEND?

„Warum soll ich berechenbar sein?“, bekomme ich von einem erstaunten Vorstand im Managementsparring zu hören. „Damit Ihre Leute wissen, woran sie bei Ihnen sind“, entgegne ich und füge hinzu: „Und damit Ihr Team nicht unnötig Zeit mit Kaffeesatzleserei verplempert, in der Hoffnung herauszufinden, was sein Chef in welcher Form zu welchem Zeitpunkt benötigt, damit eine wichtige Entscheidung zügig und fundiert getroffen werden kann.“

Zugegebenermaßen ist das eine etwas komplizierte Antwort. Aber nicht weniger kompliziert als die diffuse Herausforderung, vor der die Mitarbeiter unberechenbarer Manager täglich stehen. Wie bei dem CIO, der mir dieser Tage in einem Telefonat erklärte, dass er einen bestimmten Aspekt bei seinem Vorstandsvorsitzenden noch nicht ansprechen konnte, weil er erst den richtigen Moment abpassen müsse. Ich nenne das „Führungsfarce par excellence“!

Inkonsistentes Verhalten ist eine der größten Geißeln des Managements und tritt auf jeder hierarchischen Ebene auf. Schlimmer noch: Viele sehen darin nicht einmal ein Problem, sondern vielmehr ein Zeichen der Stärke.

Klar: Wer auf Machtspielchen steht und mit Unberechenbarkeit Angst und Unsicherheit verbreiten will, kann daraus den einen oder anderen Vorteil ziehen.

Für die Mitarbeiter, die Kollegen und damit das Unternehmen wird das jedoch auf Dauer zu einem gravierenden Nachteil, weil sich alles nur noch um Stimmungen statt um Inhalte dreht. Deshalb sage ich:

Unberechenbarkeit ist eine Schwäche. Es ist ein Ausdruck mangelnder Professionalität und eines unreifen Werteverständnisses, wenn unsere Reaktionen auf die Leistungen anderer von unserer Laune und unserer Tagesform bestimmt werden.

Stellen Sie sich vor, Ihr Urteil über eine Innovation hängt von der Person ab, die sie präsentiert. Das bedeutet, dass es vor allem eine Frage der Sympathie ist, ob ein Vorschlag Unterstützung findet oder nicht. Dadurch werden Entscheidungen nicht nur verzögert, es macht sie zugleich deutlich schlechter. Noch dazu sind launenhafte Diven hochgradig anfällig für Manipulationen.

Je häufiger ihr Verhalten unvorhersehbar wechselt, desto stärker wird das Umfeld versuchen, sie subtil zu steuern, um so die ersehnte Berechenbarkeit herzustellen. Statt echter Kompetenz werden so Manipulationskünste belohnt.

Berechenbarkeit

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Wenn wir uns eine wirklich produktive Organisation wünschen, müssen wir berechenbar sein und konsistent auf jede Art von Anfrage und Entscheidungserfordernis reagieren, und zwar frei von jeglicher aktuellen Befindlichkeit. Alle Beteiligten müssen völlige Klarheit darüber haben, was ein Manager in welcher Form von ihnen erwartet, mit welchen Leistungen der Vorgesetzte zufrieden ist und wann er beginnt, sauer zu werden oder enttäuscht zu sein. Nur so kann sich eine Organisation entwickeln, in der sich jedes Rädchen auf das nächste verlassen kann und in der jederzeit vorhersagbar ist, wer sich wann wie verhält.

Im Privaten ist das nicht anders. Unsere Kinder, Partner und Freunde erwarten, dass wir berechenbar sind. Wie sonst sollen sie uns vertrauen können? Was würde mein Sohn von mir denken, wenn ich ihm plötzlich erlaube, bis in alle Ewigkeit mit dem iPad zu daddeln – freien Zugriff auf den Schokoladenvorrat inklusive? Natürlich würde er sich diese Chance nicht entgehen lassen. Aber wenn ich ihm das nur ermögliche, weil ich gerade den Zuschlag für einen wunderbaren Auftrag erhalten habe und deshalb besonders gut gelaunt bin, dann verlören meine eigentlich sinnvollen Vorgaben ihren Sinn.

Meine tiefere Überzeugung, dass die beiden Vergnügen nur in Maßen genossen werden sollten, würde in seinen Augen keinerlei Rolle mehr spielen. Ich wäre für ihn nicht mehr glaubwürdig. Als Vorbild hätte ich versagt.

Ihr
Matthias Kolbusa

 


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