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22 September 2022

Michael Kundel im Executives Day-Interview

Michael Kundel ist CEO der RENOLIT SE. Am Executives Day (24.11.2022, Frankfurt am Main) wird er einen Impulsvortrag zum Thema „Plastik! Ende einer Wachstumsstory?“ halten.

 

Welche Herausforderungen bewegen Ihre Branche aktuell am meisten und wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?

Michael Kundel: Als Teil der kunststoffverarbeitenden Industrie waren wir in der Pandemie und insbesondere im Jahr 2021 mit einer schwierigen Phase in der Rohstoffversorgung konfrontiert. Wir hatten relativ große Probleme, unsere Rohstoffbedarfe global zu decken. Erschwerend kamen massive Preissteigerungstendenzen am Markt hinzu sowie ganz aktuell und gut nachvollziehbar natürlich auch die Energiepreiskrise. Das betrifft sowohl den Strom als auch natürlich das Gas.

Daran gekoppelt sind wieder zwei weitere Aspekte, wie das für uns klassische Thema der Prozesswärme. Einerseits brauchen wir Wärme zur Produktion, aber noch wichtiger oder zumindest gleich gewichtet ist die stoffliche Verwertung. Wenn man Rohstoffe herstellt, kommt man naturgemäß entweder vom Öl oder vom Gas. Würde es demnach zu einer Gasmangellage kommen, hätten wir ein entsprechend großes Problem, weil wir die für uns notwendigen Rohstoffe möglicherweise nicht mehr bekommen. Das ist der eine Teil der Herausforderungen, der auch wirtschaftliche Konsequenzen hat.

Der andere Teil, den die Branche speziell in den letzten Jahren massiv erleben musste, ist die zunehmende Stigmatisierung des Kunststoffs mit dem Negativimage, das transportiert wird. Kunststoff wird zu Unrecht ein Stück weit in die ökologische Schmuddelecke geschoben, so als sei er grundsätzlich schlecht. In Wirklichkeit leisten Kunststoffe unter anderem aber einen wesentlichen Beitrag zur Klimaneutralität im Hinblick auf Energieeffizienz und etwa Gewichtseinsparung.

Dem müssen wir kommunikativ natürlich begegnen und uns überlegen, wie wir die eigenen Vorteile herausstellen und deutlich machen können, dass Kunststoff nicht gleich Kunststoff oder Anwendung nicht gleich Anwendung ist. Es gilt, sehr differenziert damit umzugehen und die klaren Argumente deutlich herauszustellen, die für unsere Produkte im Bereich der technischen Folien sprechen. Das ist in erster Linie eine kommunikative Aufgabe, die selbstverständlich auch auf Verbandsebene angegangen wird.

Weiterhin haben wir bei der Rohstoff- und Energieversorgung aktuell sehr viel unternommen, indem wir uns über langfristige Kontrakte abzusichern versucht haben. Es geht aber natürlich auch um Energieeffizienzmaßnahmen, speziell konkrete Einsparmaßnahmen an all unseren Standorten, an denen wir diesbezügliche Programme aufgelegt haben. Wir beschäftigen uns mit Wasserstofftechnologie. Zur Erzeugung von Prozesswärme haben wir Pilotprojekte laufen und fragen uns in diesem Zusammenhang auch, ob sich RENOLIT langfristig an der Herstellung von Energie aus erneuerbaren Quellen beteiligen wird. Ein Stichwort sind hier beispielsweise Windkraftanlagen. All diese Themen haben wir auf der Agenda, um die wir uns sehr aktiv kümmern. Damit beschäftigen wir uns sehr intensiv hier in Deutschland, aber auch an vielen unserer ausländischen Standorte. Zu nennen ist hier auch die Elektromobilität. So haben wir mit der Umstellung unserer Kraftfahrzeugflotte auf reine E-Antriebe begonnen. All dies wird in den nächsten Jahren weitergehen. Dies sind im Wesentlichen die Antworten, die wir heute auf die Herausforderungen geben können, die uns der Markt momentan beschert.

 

Deutschland wird häufig dafür kritisiert, die Digitalisierung verschlafen zu haben. Was tut die RENOLIT Gruppe dafür, die Digitalisierung voranzutreiben?

Michael Kundel: Auch das ist eine von unseren großen Aufgaben, die nicht einfach vom Himmel gefallen ist, sondern bereits eine lange Vorlaufgeschichte hat. Entsprechend wäre die Aussage naiv, das Thema käme heute unerwartet auf unsere Agenda und wir bräuchten morgen eine finale Antwort. Tatsächlich beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit dem Thema Digitalisierung und haben dies als strategisches Projekt mit einer digitalen Agenda auf Vorstandsebene angesiedelt. Konkret arbeiten wir in Projektgruppen daran. Das beginnt mit der Digitalisierung unserer Produktion und geht bis zu digitalen Geschäftsmodellen, die unseren Kunden rund um die Uhr Einkaufsmöglichkeiten geben – losgelöst von üblichen Arbeitszeiten und ebenso von einem persönlichen Kontakt mit einem Mitarbeitenden im Vertrieb. Wir haben uns also schon intensiv engagiert und erarbeiten darüber hinaus jetzt die nächsten konkreten Schritte in unserer Arbeitsgruppe. In den kommenden zwei, drei Jahren werden wir an dieser Stelle mit Sicherheit nicht nur investieren, sondern auch deutlich mehr Druck in die Pipeline bringen, um die Digitalisierung im Unternehmen sowohl im Produktionskontext als auch im administrativen Bereich deutlich voranzubringen.

 

Die Pandemie scheint aktuell einen Teil ihres Schreckens zu verlieren, sodass weltweit Mitarbeiter zurück in die Büros kommen. Wie stehen Sie bei RENOLIT zu den Themen Homeoffice, New Work und Agilität?

Michael Kundel: Auch das ist für uns im Kern kein neues Thema, das unmittelbar mit der Pandemie zusammenhängt. Diese war ein Verstärker, gar keine Frage. Wir haben aber bereits vor Pandemiebeginn für all unsere deutschen Standorte eine Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten getroffen. Dabei geht es uns vor allen Dingen darum, dass wir Beruf und Familie für Mitarbeitende besser vereinbaren können. Junge Frauen oder auch junge Männer, die Mutter oder Vater geworden sind, sollen die Chance haben, mobil zu arbeiten und trotzdem bei uns im Unternehmen weiter produktiv tätig zu sein. Familie und Beruf zu vereinbaren, lässt sich eben nur sehr bedingt bei permanenter Präsenz im Unternehmen aufrechterhalten.

Insofern müssen wir so viel Flexibilität schaffen, dass es auch diesen Mitarbeitenden möglich ist, von zu Hause aus zu arbeiten und gleichzeitig die Kinderbetreuung zu organisieren – so gut dies über das mobile Arbeiten zu gewährleisten ist. Wie schon gesagt, für uns also ein Thema, das bereits vor der Pandemie begonnen hat, das durch sie aber sicherlich noch einmal verstärkt wurde. Dieses Engagement werden wir künftig beibehalten und nicht zurückfahren.

Auch in Sachen Agilität und New Work gehen wir neue Wege. Wir haben in unserem Innovationsbereich eine Zukunftswerkstatt etabliert und arbeiten dort seit geraumer Zeit mit neuen agilen Formen etwa der Ideenfindung, der Geschäftsmodelloptimierung sowie der Zusammenarbeit und bieten dies auch als Servicedienstleistung in unserer Unternehmensgruppe an. Praktisch heißt dies, dass sich Mitarbeitende entweder über Teams aufschalten oder an Webinaren teilnehmen können, in denen wichtiges Dazulernen ermöglicht wird. Dazu bieten wir konkrete Inhouse-Seminare an: Wenn ein bestimmter Geschäftsbereich sein kreatives Potenzial, seine Innovationsstärke verbessern möchte, hat er die Chance, diese Serviceleistungen in Anspruch zu nehmen. An dieser Stelle arbeiten wir auch mit agilen Methoden und haben das weitgehend im New Work-Stil gestaltet, etwa in Räumlichkeiten, in denen sich Kreativität und Innovationskraft entfalten können. Auch dies werden wir Stück für Stück weitertransportieren und in der Unternehmensgruppe ausrollen. Insgesamt ist all das aber nur der sprichwörtlich erste Pflock, den wir eingeschlagen haben.

 

Worauf legen Sie aktuell mehr Gewicht bei RENOLIT? Strukturen und Prozesse verbessern oder Kultur verändern?

Michael Kundel: Klare Antwort: Beides ist extrem wichtig und muss Hand in Hand gehen. Als gewachsener Mittelständler sind wir mittlerweile recht groß mit knapp 1,4 Milliarden Euro Umsatz und sehr international aufgestellt. Dennoch sind wir aus einem mittelständischen Umfeld herausgewachsen und haben besonders bei großen Akquisitionen festgestellt, dass sehr häufig Prozesse und Prozeduren nicht wirklich klar beschrieben und damit nicht klar geregelt waren. Das haben wir inzwischen nachgeholt und sind da weiterhin am Ball. Ich glaube, es geht ab einer bestimmten Größenordnung nur über klar definierte Prozesse und Prozeduren, die etabliert und gleichzeitig klar kommuniziert sein müssen, damit die Mitarbeitenden verstehen, was wir tun, und vor allen Dingen auch, warum wir etwas tun.

Das wiederum hat mit Kultur zu tun und mit dem unvermeidlichen Kulturwandel, der damit einhergeht. Ich muss die Mitarbeitenden informieren, ich muss sie beteiligen am Prozess. Ich muss ihnen erklären, warum wir etwas nun in einer strukturierteren Form mit dem einem klaren Ziel tun, das dahintersteht. Und dazu muss ich die Mitarbeitenden mitnehmen. Bei dieser Aufgabe hat uns auch die OKR-Methodik von Matthias Kolbusa im Rahmen unseres Strategieprozesses ONE RENOLIT 2025 sehr geholfen, indem sie unsere strategische Lücke zwischen dem „Wo stehen wir heute?“ und dem „Wo wollen wir 2025 stehen?“ aufgezeigt hat. Wie hoch ist der Handlungsbedarf? Wir haben diese strategische Lücke in handhabbare Teilziele zerlegt, arbeiten mit dieser Methodik und sind damit weitgehend am Outcome orientiert. So können wir den Mitarbeitenden und denen, die im Projektteam mitarbeiten, sehr deutlich machen, wo wir hinwollen, und ihnen gleichzeitig die Freiheit geben, an der Umsetzung dieser Themen ganz konkret zu arbeiten – in kurzen Sprints, in Monatssprints, mit sechsmonatigen OKRs.

Deshalb: Prozesse auf der einen Seite braucht man, aber die Kultur und die Bereitschaft, den Menschen auch zu erklären, warum man etwas tut, ist gleichermaßen wichtig. Insofern geht das eine nicht ohne das andere. Hier würde ich keine Priorisierung vornehmen wollen, sondern sagen: Beides ist für uns gleich wichtig, und beides verfolgen wir mit Verve.

 

Warum freuen Sie sich auf den Executives Day, und warum sollte man aus Ihrer Sicht unbedingt daran teilnehmen?

Michael Kundel: Das ist eine gute Frage. Es ist ja auch ein Novum. Ich hätte bereits 2020 teilnehmen sollen, und seither wurde das pandemiebedingt zweimal und nachvollziehbarerweise verschoben. Insofern kann ich jetzt nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Ich kann nur sagen, ich freue mich darauf, und ich glaube, es ist ein sehr kompaktes und knackiges Format, das Einblick in verschiedene Branchen und Unternehmen ermöglicht und dadurch Anreize und Impulse geben kann. Ich spreche dort auch über das Image von Kunststoff und wie man sich als Kunststoffverarbeiter – bei uns als technischer Folienhersteller – trotz einer Stigmatisierung erfolgreich am Markt positionieren, produzieren und seine Produkte mit Erfolg vermarkten kann. Insofern ist dies ein sehr spannendes Format, und ich freue mich darauf.

 

Wir freuen uns auch sehr auf Sie! Kommen wir zur nächsten Frage: Hatten Sie während Ihrer beruflichen Karriere Angst zu scheitern, und haben Sie einen Tipp, wie man am besten damit umgeht?

Michael Kundel: Auch diese Frage ist spannend. Ich würde es nicht unbedingt Angst nennen wollen, sondern eher Respekt vor den Herausforderungen, die einem an verschiedenen Stellen in der beruflichen Karriere begegnen. Das ist vielleicht die richtigere Bezeichnung. Zuallererst ist es wichtig, an sich persönlich und seine Fähigkeiten zu glauben, aber ebenso mit einem Stück Demut an die Aufgabe heranzugehen. Ich habe für mich zwei gute Beispiele: eine große Akquisition, die RENOLIT im Jahr 2006 getätigt hat, mit der sich Umsatz und Beschäftigtenzahl nahezu verdoppelt haben. Ich war damals neu im Vorstand und war mit der vertrieblichen Integration betraut. Das war für mich eine Aufgabe, vor der ich gewaltigen Respekt hatte, weil ich es a) nie zuvor getan hatte und weil ich b) auch auf diesem Gebiet nicht sehr erfahren war. Ich glaube, es ist wichtig, dass man in solchen Situationen Zutrauen in seine eigenen Fähigkeiten hat. Man sollte sich und anderen jedoch auch offen eingestehen, dass das natürlich auch schiefgehen kann, weil zu scheitern immer eine veritable Möglichkeit ist. Wenn aber das Selbstvertrauen passt, wenn die eigenen Fähigkeiten passen und wenn man auch mit einer gewissen Offenheit darüber kommuniziert, Chancen und Risiken sauber abwägt, dann ist dies eine wichtige Grundvoraussetzung, um solche Herausforderungen am Ende meistern zu können.

Das zum einen. Zum Zweiten, glaube ich, ist es auch wichtig, dass man sich in so einer Phase einen Mentor sucht, der einen begleitet, der Hilfestellung gibt und der die Dinge auch mal kontrovers diskutiert. So komme ich zu meinem zweiten Beispiel. Ich bin mit 39 Jahren Vorstand geworden, was ein sehr junges Alter ist, in dem man nicht von sich behaupten kann, auf so eine Aufgabe perfekt vorbereitet zu sein. Ein Mentor kann hier sehr helfen, und diese Hilfe habe ich an der einen oder anderen Stelle dankbar angenommen. Das hat mir persönlich sehr viel gebracht und mir vermutlich ebenso geholfen, grundlegende Kardinalfehler zu vermeiden. Das ist, wenn Sie so wollen, der Rat, den ich geben kann: Glaube an die eigenen Fähigkeiten und daran, dich auch mal auf dein Bauchgefühl verlassen zu können. Es ist wichtig, ein sauberes Mentoring zu haben, um nicht nur Jasager um sich zu scharen, sondern auch kritische Diskussionen zu führen. Das hilft schon sehr. Und ja, dann einfach die Dinge auch tun. Walk your Talk. Darauf kommt es an.

 

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Executives Day, 24.11.2022, Frankfurt am Main

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