2 November 2023
„Im diesem Jahr wollen wir die Performance um sieben Prozent steigern! Nicht nur beim Umsatz, sondern in allen denkbaren Belangen. 2019 steht unter dem Leitstern der großen Sieben!“ Das Führungsteam ächzt: „Was hat den CEO denn jetzt wieder geritten? Sonst haben doch immer vier oder fünf Prozent gereicht? Wie sollen wir unseren Teams das bloß verkaufen? Die sind doch eh schon am Limit.“
Ganz ehrlich? In den meisten Unternehmen sind sieben Prozent noch zu wenig. Wenn man alle Luft aus den Prozessen ließe, alle Strukturen nur halbwegs auf Vordermann brächte und wenn alle so arbeiten würden, dass sie wirklich stolz statt nur zufrieden sein könnten, wären überall Leistungsexplosionen möglich. Leider jedoch bildet in den meisten Unternehmen das solide Mittelmaß die obere Leistungsgrenze. Das Tückische daran ist, dass nicht auffällt, wie viel Luft nach oben bleibt oder dass dies einfach ignoriert wird. Es klappt ja so gut wie alles. Natürlich soll die Performance jedes Jahr besser sein als im vorhergehenden. Aber dann bitte so moderat, dass die Ziele bereits mit nur geringer Anstrengung leicht zu schaffen sind.
Es ist keineswegs so, dass es nicht auch anders ginge. Es ist ganz einfach eine Frage des Anspruchsniveaus. Ein früheres Transformationsprojekt hat das besonders anschaulich gezeigt: Eine Analyse sollte ermitteln, wie sich die regionalen Führungskräfte durch ihre Regionalmanager im Kundenvertrieb unterstützt fühlten. Im Schnitt gab es neun von zehn möglichen Bewertungspunkten. Und das, obwohl statistisch nur eines von zwölf Kundengesprächen zu einem Auftrag führte – bei einem Branchenschnitt von acht zu eins, der auch nicht gerade eine Megaperformance ist. Erstaunlich, dass diese neun von zehn möglichen Bewertungspunkten auch noch gefeiert wurden.
Dieses Phänomen treffe ich immer wieder an, wenn es um das Entwickeln einer Leistungskultur geht: Bevor man Planzahlen ausgibt, braucht es erst mal ein Anspruchsniveau, das sich nicht mit „Das passt schon“ zufriedengibt. Leider sind wir im Management häufig zu bequem, und die meisten Organisationen bleiben weit unter ihren Möglichkeiten, weil sie nicht bereit sind, bahnrechende Effekte herbeizuführen. Den Kreislauf, der aus Quälerei Stolz und daraus wiederum einen Leistungshunger mit der Bereitschaft und Lust macht, sich erneut zu quälen, will sich niemand antun.
Wie ich haben einige von Ihnen vielleicht auch bereits einmal einen Trainer im Leistungssport erlebt, der Sie über Ihre Grenzen hinausgetrieben hat. Mochten wir diesen Trainer, wenn die nächsten drei Temporunden anstanden, weil er spürte, dass noch was geht? Sicher nicht. Aber nachdem wir im Wettkampf leistungsmäßig geradezu explodiert waren, war er unser Held – und wir dankbar, dass er nicht lockergelassen hatte. Genau das müssen wir auch im Management viel häufiger praktizieren: uns selbst und andere an die vertretbaren Grenzen treiben, um zusammen zu wachsen und Stolz zu generieren.
Bildquelle: KI
Zu viele performen lediglich mit Mittelklassequalität und sind nur oberflächlich zufrieden, weil sie insgeheim spüren, was sie verschenken! Zu Hause ist es nicht anders: Es sich jeden Abend mit Chips und Bier oder Wein und Käse gemütlich zu machen, ist zwar bequem, aber macht es auch stolz? Blicken Sie einmal auf Ihr Leben zurück:
Sie werden sich an keine Situation erinnern, in der Sie ehrlichen Stolz empfunden haben, ohne dass Sie zuvor Ihre Angst oder Ihre Bequemlichkeit überwinden mussten.
Ob es das Besteigen eines unbezwingbar scheinenden Berges war, die schwierige Erziehungsphase Ihres Kindes oder was auch immer.
Übertragen Sie diese Überlegungen auf Sie selbst und auf Ihr Team. Machen Sie es sich unbequem und „quälen“ Sie sich. Das funktioniert jedoch nur dann, wenn der Sinn dahinter klar ist: Wollen Sie beim Laufen schneller werden, hilft es nichts, immer wieder zehn Kilometer in 60 Minuten zu laufen oder 100 Kilo auf der Bank zu drücken. Mehr Schnelligkeit bringen nur wirklich fordernde Intervallläufe. Wenn Sie dann Ihre Zehn-Kilometer-Zeit von 55 auf 45 Minuten gesteigert haben, lässt Ihr Stolz Sie alle überstandenen Mühen vergessen.
Im Management geht es nicht darum, dass alle Sie mögen und mit dem Status quo zufrieden sind. Es kommt vielmehr auf einen Kreislauf an, der unbequem startet und schließlich zu echtem Leistungshunger führt. Ihre Energie gehört ganz dem Team und dem, was es leisten kann, wenn es sich verausgabt, um stolz zu sein.
Veranschaulichen Sie Ihrem Team diese Zukunft als emotionale Bilder – und hören Sie nie auf damit! Hochleistungsteams schafft man nicht, indem man darauf achtet, dass sich jeder wohlfühlt. Ganz im Gegenteil:
Ist das Muster erst einmal verinnerlicht, dass Stolz auf erreichte Leistungen aus dem Willen, sich zu quälen entsteht, wird jede überflüssige Annehmlichkeit zu einem Feind, den High-Performance-Teams mit Rekordergebnissen in die Flucht schlagen.
Ihr
Matthias Kolbusa
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